Bankenrettung in Europa – wer zahlt in Zukunft die Rechnung?
Die meisten werden sich erinnern: Im Zuge der Finanzkrise musste eine Vielzahl von Banken durch den Staat gerettet werden, um einen Zusammenbruch der Finanzmärkte zu verhindern. Damals fehlte ein rechtlicher Rahmen für eine effiziente und schnelle Bankenabwicklung und die Ansteckungsgefahren für die Realwirtschaft waren aufgrund drohender Kettenreaktionen enorm. In diesem brisanten Umfeld waren die staatlichen Rettungsaktionen wohl tatsächlich die „beste“ Alternative Doch billig war das Ganze nicht. Mit rund 750 Mrd. Euro hat die Sanierung maroder Banken allein die europäischen Steuerzahler bislang belastet.
Die Politiker in der EU haben daraus gelernt und in den vergangenen Jahren recht geräuschlos neue Abwicklungsregeln, sog. „Bail in-Regeln“, für strauchelnde Banken geschaffen, um die Steuerzahler bei zukünftigen Krisen zu verschonen. Vereinfacht gesprochen kann man sagen, dass das Zypern-Modell zum europäischen Gesetz gemacht wurde. Wir erinnern uns: Im Jahr 2013 verloren die Kunden der großen zypriotischen Banken rund 50% ihrer Bankguthaben, die über 100.000 Euro hinausgingen. Das traf damals alle ohne Ausnahme, unabhängig von Geschlecht, Alter, Staatsangehörigkeit oder Rechtscharakter des Kontoinhabers. Letztendlich wurden die Anleger so behandelt, als ob eine Firma in die Insolvenz geht und die Gläubiger nach Abschluss des Insolvenzverfahrens ihren Anteil an der zur Verfügung stehenden Insolvenzmasse erhalten.
Die neuen Gesetze zur Abwicklung und Restrukturierung von Banken differenzieren zwar deutlich stärker nach der Art der Bankeinlage als das Zypern-Modell – das Grundprinzip ist allerdings das Gleiche. Im Ernstfall kann jeder, der Geld auf ein Bankkonto einbezahlt hat, für Beträge, die über 100.000 Euro hinausgehen, zum Verlustausgleich herangezogen werden. Und machen wir uns nichts vor. Sofern es der Politik im Ernstfall „alternativlos“ erscheinen sollte, kann auch die Schongrenze von 100.000 Euro schnell gesenkt werden.
Die entsprechende EU-Vorgabe zur künftigen Bankenrettung (BRRD, Bank Recovery and Resolution Directive) musste bis zum 1. Januar 2016 in allen EU-Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt werden und sieht für den Fall einer Bankensanierung eine bestimmte Haftungsreihenfolge vor. So sind zuerst die Eigentümer/Aktionäre gefragt, dann die Gläubiger von Wandel- und Nachrang-Anleihen und anschließend die von erstrangigen Anleihen. Falls dies zur Verlustabdeckung noch nicht ausreicht, kann die Haftungskaskade im worst case schließlich auch das gute, alte Sparbuch oder die Festgeldkonten erreichen, damit der Staat bzw. die Steuerzahler erst dann einspringen müssen, wenn alle anderen Konten geleert sind.
Bail in Regeln: Haftungskaskade (Quelle: Deutsche Bundesbank, Monatsbericht Juli 2016)
Momentan sind zwar keine akuten Bedrohungsgefahren für private Bank- oder Sparguthaben am Horizont auszumachen. Trotzdem sollten sich Kapitalanleger darüber im Klaren sein, dass sich die Regeln für künftige Bankenrettungen grundlegend geändert haben. Und auch heute, rund 8 Jahre nach Ausbruch der Finanzkrise, sind noch lange nicht alle europäischen Banken über den Berg.
Wir als Vermögensverwalter unterhalten für unsere Kunden keine Bankguthaben in nennenswerter Höhe. Insofern spielt die Gefahr potenzieller künftiger Bankenpleiten für unsere Kunden nur eine untergeordnete Rolle.