Der deutsche Handelsüberschuss – Grund zur Entschuldigung?

In den letzten Monaten verging kaum ein Tag, an dem Deutschland nicht deutliche Kritik für seine hohen Handelsüberschüsse einstecken musste. Nicht nur die neue US-Regierung hat Deutschland neben China und Japan als Verursacher eines potenziellen Handelskriegs ausgemacht. Auch der IWF, die OECD und einige Länder in der Eurozone halten mit ihrer Kritik an den deutschen Überschüssen beim Ex- und Import von Sachgütern nicht hinter dem Berg. Ist diese Kritik an Deutschland berechtigt?

Fakt ist, dass der deutsche Handelsbilanzüberschuss mit einem Wert von rund 7% des BIP sowohl im historischen Vergleich als auch in Relation zu vielen anderen Ländern sehr hoch ist. Ein wesentlicher Grund für diesen Überschuss ist, dass der Euro in den letzten Jahren vor allem gegenüber dem US-Dollar deutlich nachgegeben hat. Aufgrund des schwächeren Euros kann Deutschland seine Waren im Ausland momentan relativ preisgünstig verkaufen, während sich die Importgüter zuletzt verteuerten. Doch ist die Schwäche des Euro tatsächlich durch Deutschland verursacht?

Einer der Hauptgründe für die Schwäche des Euro ist die extrem expansive Geldpolitik der EZB. Diese hat in den letzten Jahren für über 2.000 Milliarden Euro Anleihen der Euro-Mitgliedsländer mit frisch gedrucktem Geld gekauft, was zu extrem niedrigen Zinsen geführt und damit zur Abwertung des Euro maßgeblich beigetragen hat. Zu bedenken ist allerdings, dass die meisten der expansiven geldpolitischen Maßnahmen im EZB-Rat gegen den Widerstand der Deutschen Bundesbank beschlossen wurden. Zudem kommen gerade aus Deutschland schon seit längerem die lautesten Stimmen, welche eine baldige Abkehr von dieser ultralockeren Geldpolitik fordern. Deutschland selbst ist deshalb kaum ein Vorwurf für die EZB-Geldschwemme sowie das daraus resultierende Niedrigzinsniveau und die Euro-Schwäche zu machen.

An dieser Stelle wird ein grundsätzliches Dilemma der Eurozone deutlich: Die Befürworter der extrem lockeren Geldpolitik kommen aus nachvollziehbaren Gründen vor allem aus den Euro-Ländern, die aufgrund ihrer hohen Schuldenlast von den niedrigen Zinsen am stärksten profitieren. Gleichzeitig sind es in der Eurozone aber genau diese Länder, die Deutschland wegen seiner hohen Handelsüberschüsse kritisieren, die, wie ausgeführt, eine indirekte Folge der von diesen Ländern befürworteten EZB-Politik sind.

Welche Auswege führen nun aus diesem Dilemma? Wirtschaftswissenschaftler sehen grundsätzlich zwei Möglichkeiten. Der eine Weg führt über eine Angleichung der Wettbewerbsfähigkeit der Euro-Länder, der andere über Finanztransfers von den (wettbewerbs-)stärkeren zu den schwächeren Ländern. Eine Angleichung der Wettbewerbsfähigkeit kann wiederum erreicht werden durch Strukturreformen in Verbindung mit Lohn- und Kostensenkungen in den schwächeren Ländern oder durch einen zumindest vorübergehenden Austritt der schwächeren (bzw. stärkeren) Länder aus der Währungsunion in Verbindung mit einer deutlichen Abwertung (bzw. Aufwertung) der neu einzuführenden Währung.

Wird keiner dieser Wege beschritten, so ist davon auszugehen, dass die Ungleichgewichte in der Wettbewerbsfähigkeit und damit letztlich auch in den Handelsbilanzen sowie der Verschuldung sich vergrößern. Damit wächst dann die Gefahr, dass in einzelnen Ländern die Grenze der Schuldentragfähigkeit erreicht wird und die Rückzahlung der Staatsanleihen nicht mehr möglich ist, wie dies in Griechenland bereits der Fall war.

Aus dieser Überlegung heraus stufen wir Staatsanleihen aus den wettbewerbsschwächeren Euro-Ländern weiterhin nicht als vermeintlich risikolose Anlagen ein, sondern bevorzugen im risikoarmen Segment breit gestreute Investments in Unternehmensanleihen, Staatsanleihen der Schwellenländer und Immobilienfonds in Abwicklung. Darüber hinaus sind wir weiterhin der Überzeugung, dass ein weltweit gestreutes Aktienportfolio eine sehr gute Absicherung gegen die Niedrigzinspolitik ist, weil Unternehmen von den niedrigen Zinsen direkt profitieren, und viele institutionelle Anleger eine Mindestrendite erwirtschaften müssen, die im aktuellen Niedrigzinsumfeld ohne Aktien respektive deren Dividenden nicht erreichbar ist.