Unsicherheit und Risikoprämien

Auch an den Börsen wiederholt sich die Geschichte. Das Börsenjahr 2015 verläuft bislang fast deckungsgleich zum Jahr 2013. Mitte 2013 schrieben wir in unserem Kommentar zur Vermögensanlage wortwörtlich:

„Während von Jahresbeginn bis Mitte Mai nahezu alle Anlageklassen deutliche Kursgewinne verbuchen konnten, setzte anschließend eine starke Gegenbewegung ein. Gemessen an einem ausgewogenen, globalen Marktindex (aus internationalen Anleihen, Aktien und Immobilien), an dem sich auch unsere Kundenportfolios orientieren, ging dadurch fast der gesamte im bisherigen Jahresverlauf erzielte Wertzuwachs verloren.“

Doch nicht nur die Kursentwicklung des Jahres 2015 verläuft weitgehend deckungsgleich zum Jahr 2013. Auch die Kommentare hierzu in der einschlägigen Finanzberichterstattung weisen bemerkenswerte Parallelen auf: Sowohl damals als auch heute wurden im Nachhinein rasch Erklärungen für die Kursverluste gesucht und gefunden. Aber es erstaunt doch ein wenig, dass die Gründe von damals quasi auch die Gründe von heute sind: So werden wieder primär die Ankündigung der amerikanischen Notenbank, die lockere Geldpolitik zu beenden sowie die Gefahr einer harten Landung der chinesischen Wirtschaft als Auslöser für die Kursrückgänge verantwortlich gemacht.

Unabhängig davon, dass es schlicht unmöglich ist, zu beweisen, ob diese Erklärungen nun ursächlich für den Markteinbruch waren oder nicht, halten wir diese, wie damals bereits geschrieben, noch aus einem anderen Grund für problematisch. In ihnen kommt unterschwellig zum Ausdruck, dass kurzfristige Marktausschläge vorhersehbar seien. Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall. Zahlreiche empirische Studien belegen, dass kurzfristiges Markt-Timing nach dem Motto „Rein ins Risiko, raus aus dem Risiko“ keine erfolgversprechende Anlagestrategie ist, weshalb wir eine solche auch nicht verfolgen.

Konsequent zu Ende gedacht folgt daraus, dass das „Durchstehen“ von negativen Marktentwicklungen eine notwendige Voraussetzung ist, um mittel- und langfristig die Mehrrendite zu vereinnahmen, die ein ausgewogenes globales Portfolio aus risikoarmen und risikoreichen Anlageklassen gegenüber einer (vermeintlich) risikolosen Euro-Festgeldanlage erwarten lässt. Im übertragenen Sinne ist die zu erwartende Mehrrendite nämlich nichts anderes als die Prämie für die Übernahme der Schwankungsrisiken, die mit einem solchen Portfolio untrennbar verbunden sind. In der Finanzmarkttheorie bezeichnet man die Mehrrendite deshalb auch als Risikoprämie.

Grundsätzlich gilt dabei folgender Zusammenhang: Je größer die Unsicherheit am Kapitalmarkt, umso niedriger die Kurse von Aktien und anderen risikoreichen Anlageklassen und umso höher deren zukünftig zu erwartende Mehrrendite. Dies gilt natürlich auch umgekehrt. Vereinfacht ausgedrückt heißt dies: Bei einem Kursrückgang verbessern sich die Aussichten von risikoreichen Anlageklassen. Bei einem Kursanstieg ist das Gegenteil der Fall.

Dies bedeutet natürlich nicht, dass nach dem Kursverfall insbesondere in den letzten beiden Monaten nun eine starke Kurserholung, wie wir diese von Mitte bis Ende 2013 erlebt haben, auch für den verbleibenden Rest des Jahres 2015 bereits ausgemachte Sache ist. Fest steht aber, dass die Höhe der zukünftig zu erwartenden Mehrrendite eines ausgewogenen globalen Portfolios sich durch die jüngsten Turbulenzen deutlich erhöht hat.